Autismus-Definition – Autismus-Spektrum – Autismus-Ursachen – Autismus-Merkmale – Autismus und Häufigkeit – Autismus und Geschlecht – Autismus-Leidensbild – Autismus und Kommunikation – Autismus und Sprache, Autismus und Rituale – Autismus und Bewegungsmuster – Autismus und Intelligenz – Autismus-Verhaltensauffälligkeiten – Autismus-Beschwerdebild und Alter – Autismus-Verlauf – Autismus-Heilungsaussichten – Autismus und Erbbelastung – Autismus-Betreuung – Autismus-Umgangsempfehlungen – u.a.m.
Eine der wohl tragischsten psychosozialen, d. h. zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Störungen der Gesundheit ist der Autismus (vom griechischen: autos = selbst). Nachfolgend eine kurz gefasste Übersicht in (meist fachbezogenen) Stichworten auf der Grundlage der verfügbaren Fachliteratur:
Definition: Tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich vor dem 3. Lebensjahr durch mehrere Funktionsstörungen äußert: z. B. soziale Interaktion, Kommunikation, eingeschränkte Aktivitäten und Interessen usw.
Eine wissenschaftliche Definition lautet: Autismus ist eine phänomenologisch (nach dem Erscheinungsbild) basierte Summations-Diagnose, die eine Störung in den Bereichen der sozialen Interaktion, der Kommunikation und dem reduziertem Spektrum an Handlungen und Interessen sowie dem Festhalten an Routinen und Ritualen beinhaltet.
AUTISMUS-SPEKTRUM: Da verschiedene Autismus-Variationen gegeben sind, spricht man heute von einem Autismus-Spektrum (siehe Definition). Die wichtigsten tiefgreifenden Entwicklungsstörungen sind frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Rett-Syndrom, die desintegrative Störung des Kindesalters (Heller-Syndrom) und das Asperger-Syndrom (nach ICD-10 der WHO).
Unter Autismus-Spektrum-Störungen werden insbesondere der frühkindliche Autismus, das Asperger-Syndrom und der atypische Autismus zusammengefasst. Trotz unterschiedlicher Ansätze geht man generell davon aus, dass die verschiedenen autistischen Störungen sich lediglich quantitativ (d. h. im Ausmaß der Symptome und damit psychosozialen Konsequenzen), nicht jedoch qualitativ (d. h. durch verschiedene Krankheitszeichen) von einander unterscheiden lassen.
Ursächlich gelten Autismus-Spektrum-Störungen als Entwicklungsstörungen des Zentralen Nervensystems, die wahrscheinlich auf die Beeinträchtigung grundlegender Gehirnfunktionen zurückgehen, vor allem jener, die die Kontaktfähigkeit steuern bzw. beeinflussen.
Allgemeine Merkmale der tiefgreifenden Entwicklungsstörungen sind: Beginn grundsätzlich im Kleinkindalter oder Kindheit, Einschränkung oder Verzögerung in der Entwicklung jener Funktionen, die eng mit dem Reifungsstand des Zentralen Nervensystems verknüpft sind, stetiger Verlauf ohne Remissionen („Genesung“, Symptom-Freiheit), aber auch Rezidive (Rückfall), d. h. letztlich weitgehend gleich bleibendes Leidensbild über den gesamten Lebenslauf hinweg.
Häufigkeit: Ging man früher davon aus, dass Autismus-Spektrum-Störungen relativ selten vorkommen, so muss man dies inzwischen revidieren; die Zahlen sind deutlich höher als früher angenommen. Nach aktuellen Studien könnten 1 bis 2% der Bevölkerung als Autisten bezeichnet werden. Das klingt nach viel und man fragt sich, wo die 1 bis 2 Millionen Betroffene im deutschsprachigen Bereich herkommen sollen.
Man darf aber Autismus nicht grundsätzlich mit „Schwachsinn“ gleichsetzen, wie man das vermutlich erst einmal tut. Im Autismus-Spektrum gibt es auch Menschen mit durchschnittlicher und überdurchschnittlicher Intelligenz und teilweise beachtlichen Sonder-Begabungen, die „nur“ in bestimmten alltags-praktischen Fähigkeiten eingeschränkt sind, dort allerdings ggf. sehr ausgeprägt.
Das muss aber nicht weiter auffallen, zumindest nicht außerhalb des engeren Familienkreises. Was jedoch auffällt, sind autistische Krankheitszeichen bei zusätzlicher geistiger Behinderung. Denn hier trifft es fast jeden Vierten dieser Patienten. Doch nochmals: Die meisten Menschen im autistischen Spektrum sind von normaler Intelligenz. Was jedoch häufiger vorkommt, sind zusätzliche seelische Beeinträchtigungen, vor allem Depressionen und Angststörungen, sowie bestimmte körperliche Leiden, z. B. Epilepsien.
Geschlecht: Das Verhältnis männlich : weiblich liegt bei ca. 3 : 1.
Krankheitsbild allgemein: Vielfältig, ungewöhnlich, langfristig zermürbend für den Patienten und sein Umfeld. Vor allem ist der Betroffene unfähig, gemäß seiner Entwicklungsstufe entsprechende Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzubauen. Dafür dominiert ein autistischer Rückzug auf sich selber.
Als besonders schwierig und belastend, nicht zuletzt im Erwachsenenalter, werden von Patienten und Angehörigen folgende psychosoziale Einbußen und Störungen genannt:
Selbst- und fremd-aggressives Verhalten, panikartige Reaktionen bei Abweichungen von Routine oder Ritualen, Negativismus (in psychosozialer Hinsicht eine Art starre Verneinungs-Haltung bis -Sucht, psychopathologisch die Weigerung, auf einen Außenreiz aktiv oder passiv zu reagieren, ja oft das Gegenteil zu tun); ferner Perfektionismus, Zwangshandlungen, Distanzlosigkeit gegenüber Fremden, ausgeprägtes Rückzugsverhalten, Apathie (Teilnahmslosigkeit) sowie übermäßig starke Mutterbindung.
Probleme, unter denen die Behinderten vor allem selber leiden sind: Unzufriedenheit mit der eigenen Situation, Grübeln über das eigene Anderssein, großes Bedürfnis nach Freundschaft mit Gleichaltrigen, aber mangelnde Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, Wunsch nach mehr Selbständigkeit, aber begrenzte Möglichkeiten, sich draußen zurechtzufinden sowie deprimierendes Lebensgefühl durch Perspektivelosigkeit, d. h. fehlender Ausbildungsplatz, keine Arbeits- und Wohnmöglichkeiten u. a. Im Einzelnen nach der entsprechenden Fachliteratur:
- Zwischenmenschliche Kontakte: Die Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Kontakte (Fachbegriff: soziale Interaktion) ist ausgeprägt und anhaltend, wie es die ton-angebenden psychiatrischen Institutionen ausdrücken. Das betrifft sowohl die Sprache als auch so genannte non-verbale Verhaltensweisen, z. B. Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Körperhaltung, Gestik.
Jüngere Patienten haben wenig oder kein Interesse an Freundschaften. Ältere können so etwas entwickeln, doch fehlt ihnen das Verständnis für die Regeln einer zwischenmenschlichen Beziehung. Selbst das spontane Verlangen Vergnügen, Interessen oder Erfolge mit anderen zu teilen, kann unvollständig oder überhaupt nicht ausgebildet sein. Kurz: Der zwischenmenschliche und vor allem gemütsmäßige Austausch fehlt zumeist.
Autisten nehmen nicht an selbst einfachen sozialen Kontakten teil, beschäftigen sich lieber allein und beteiligen andere nicht an ihren Aktivitäten. Und wenn, dann lediglich als Unterstützung, gleichsam als „mechanische“ Hilfe oder als „Werkzeug“ (Fachbegriff: Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit). So können Autisten andere Kinder einschließlich Geschwister völlig ignorieren und haben häufig keine Vorstellungen von den Bedürfnissen ihres Umfeldes, weshalb sie auch die Sorgen, Kümmernisse, Nöte, Kränkungen, Frustrationen usw. der anderen einfach nicht zu registrieren vermögen. Weitere Einzelheiten s. u.
- Kommunikation: Auch hier sind sowohl die verbalen wie non-verbalen Fähigkeiten (sprachlich wie nicht-sprachlich, also Blickkontakt, Gesichtsausdruck, Körperhaltung) deutlich und vor allem anhaltend beeinträchtigt. Die Entwicklung der gesprochenen Sprache kann verzögert eintreten oder völlig ausbleiben (s. u.). – Diejenigen, die sprechen können, haben oft nur begrenzte Fähigkeiten, ein Gespräch mit anderen zu beginnen und fortzuführen. Oder sie zeigen einen so genannten stereotypen und repetitiven Gebrauch der Sprache (immer gleiche Redewendungen, ständig wiederholt). Oder gar eine persönliche „Eigensprache“, die nur sie selber verstehen (Fachbegriff: idiosynkratische Sprache). Auch pflegen bestimmte, der jeweiligen Entwicklungsstufe angemessene Rollen- oder soziale Imitationsspiele (Nachahmung der Erwachsenenwelt) zu fehlen.
- Sprache: Bei entwickelter Sprechfähigkeit können Intonation (Klang beim Sprechen), Sprechgeschwindigkeit, Sprechrhythmus oder Betonung auffällig sein. Das äußert sich beispielsweise in einer monotonen Stimme. Oder im Heben der Stimme am Satzende, und zwar unabhängig davon, ob eine Frage gestellt (dann wäre die Stimmhebung normal) oder eine Aussage gemacht wird (dann wäre sie unangepasst). Die grammatischen Strukturen sind häufig unterentwickelt.
Dafür „nerven“ ständige Wiederholungen von Worten oder Sätzen ohne Bedeutungszusammenhang, oder von Werbe-Songs bzw. Reklamesprüchen. Es kann auch eine metaphorische Sprache benutzt werden, d. h. eine Sprache, die nur diejenigen verstehen, die mit dem Kommunikations-Stil des Betroffenen vertraut sind. Nicht selten ist auch eine Störung des Sprachverständnisses, in dem selbst einfache Fragen, Anweisungen oder Witze nicht verstanden werden.
- Rituale: Zum einen sind Autisten nicht einmal zu einfachen Imitations-(Nachahmungs-)Spielen oder Gewohnheiten des Säuglingsalters oder der frühen Kindheit in der Lage. Und wenn sie es tun, dann zusammenhanglos oder auf mechanische Art und Weise, wie es ihren beschränkten, ständig wiederholten und gleichlaufenden Verhaltensmustern, Interessen und Aktivitäten entspricht. Dafür können sie sich aber sehr intensiv und ausschließlich mit einem Gebiet oder mehreren stereotypen (immer gleichen) und begrenzten Interessen beschäftigen. Hier kann beides abnorm sein, also sowohl die Gegenstände als auch die Intensität der Beschäftigung.
Zum anderen zeigen sie ein auffällig starres Festhalten an bestimmten Gewohnheiten und Ritualen (also schematischen Verhaltensweisen). So beschäftigen sie sich andauernd und intensiv mit Teilen von Objekten oder entwickeln motorische Manierismen (übersteigerte und gekünstelt wirkende Bewegungsabläufe).
Die Bandbreite der Interessen ist aber deutlich eingeschränkt. Meist beschränkt sie sich auf ein eng begrenztes Gebiet, von dem die Betroffenen aber stark in Anspruch genommen sind (z. B. Wetterdaten, Statistiken, Fahrpläne u. a.). Auch stellen sie bestimmte Spielsachen in immer derselben Art und Weise auf und ahmen wiederholt andere (z. B. Fernsehschauspieler) nach.
So bestehen sie auf starrer Gleichförmigkeit und reagieren auf selbst banale Veränderungen mit Widerstand, Kummer oder gar Panik (z. B. Stuhl umgestellt, neue Gardinen, Bild am anderen Platz, Geschirr verrückt). Viele beharren ohne nachvollziehbaren Grund auf der genauen Einhaltung von gewohnten Abläufen (Aufstehen, zu Bett gehen, Mittagessen, Fernsehen, Spazier- oder Schulweg).
- Bewegungsmuster: Stereotype Körperbewegungen betreffen die Hände (Klatschen, Fingerschnipsen) oder den ganzen Körper (wiegende, schaukelnde und schwankende Bewegungen). Nicht selten sind auch Auffälligkeiten der Körperhaltung, z. B. Gehen auf Zehenspitzen, seltsame Handbewegungen und Körperhaltungen. Auch sind die Betroffenen ständig mit Teilen von Objekten (s. o.) beschäftigt, also Knöpfe, Gürtel, Schnürsenkel, aber auch Körperteile usw.
Eine eigentümliche Faszination kann von Objekt-Bewegungen ausgehen, die sich drehen (z. B. Räder von Spielsachen, Ventilator, Mobile), aber auch das Öffnen und Schließen von Türen, Fenstern, Schränken, Schubladen u. a.
Manchmal entsteht eine ungewöhnlich intensive Bindung an unbelebte Objekte, z. B. ein Stück Schnur, ein Gummiband, ein Aschenbecher, ein Bleistift.
- Intelligenz: Wie eingangs erwähnt, besteht nicht selten gleichzeitig eine zumindest mittelschwere geistige Behinderung (Fachbegriff: intellektuelle Retardierung). Dabei ist das Profil geistiger Fähigkeiten - unabhängig vom allgemeinen Intelligenz-Niveau - gewöhnlich unausgewogen bis absonderlich: So kommt es beispielsweise vor, dass ein 4- bis 5-jähriges Kind schon lesen kann (Fachbegriff: Hyperlexie). Ältere Autisten können ein hervorragendes Langzeitgedächtnis haben (z. B. für Zugfahrpläne, historische Daten, chemische Formeln, Schmelzpunkt aller Metalle, Paragraphen des Grundgesetzes oder beim Erinnern des genauen Wortlauts eines vor vielen Jahren gehörten Dialogs, Liedes, Gedichtes, ja Vortrags). Gewöhnlich wird dieses außerordentliche Wissen jedoch nicht nutzbringend eingesetzt und auch häufig ständig wiederholt, selbst wenn es nicht angebracht ist.
- Verhaltensauffälligkeiten: Zu den psychosozialen Auffälligkeiten und sonderbaren Reaktionen gehören beispielsweise Hyperaktivität (umtriebig, hektisch, „nervös“), kurze Aufmerksamkeitsspanne, Impulsivität, Aggressivität, selbstschädigendes Verhalten (z. B. Selbstverletzung durch Beißen in den Handrücken) u. a., insbesondere bei jüngeren und intelligenz-geminderten Autisten. – Ferner eigenartige Reaktionen auf äußere Reize, z. B. hohe Schmerzschwelle („kann einiges ertragen“), gleichzeitig aber auch Übersensibilität gegenüber Berührungen, Tönen, Licht, Gerüchen und Geschmackseinflüssen. – Bisweilen eine regelrechte Faszination durch gewisse Reize, die sonst niemand auffallen würden: Schattenspiele durch die Sonne, Maserung von Tischen und Schränken usw.
Auffälligkeiten beim Essen sind beispielsweise die Beschränkung auf einige wenige Lebensmittel, was gegenüber allen Änderungswünschen starr und energisch bis aggressiv verteidigt wird, aber auch die Einnahme von ungenießbaren, ungewöhnlichen oder gar widerlichen Dingen (Fachbegriff: Pica). – Beim Schlafen das wiederholte Aufwachen in der Nacht mit wiegenden Bewegungen.
Je nach Stimmungslage bzw. zwischenmenschlichen Kontakten nicht selten Kichern oder Lachen bzw. Weinen ohne ersichtlichen Grund und mit offensichtlichem Fehlen jeglicher gemütsmäßiger Beteiligung. – Auch können Autisten zum einen eine ungewöhnliche Furchtlosigkeit vor wirklichen Gefahren demonstrieren, dafür dann übermäßige Angst vor harmlosen Dingen zeigen (Fachbegriff: Phobien).
Schließlich bezieht sich das erwähnte selbstschädigende Verhalten nicht nur auf das Beißen von Fingern, Hand und Gelenken, sondern auch auf Kopfanschlagen, sich selber Treten u. a.
- Eine Selbsttötungsgefahr ist zwar im Allgemeinen nicht gegeben, wohl aber depressive Reaktionen, vor allem wenn dem Betroffenen im Laufe des Lebens seine schwere Beeinträchtigung langsam bewusst wird (am ehesten wohl so genannte parasuizidale Handlungen ohne wirkliche Selbsttötungsabsicht, gleichsam als verzweifelter Aufschrei).
Altersbedingte Phänomene: Die Art der Beeinträchtigung kann sich mit der Zeit ändern und je nach Entwicklungsstufe variieren:
- Bei Säuglingen und Kleinkindern beispielsweise zeigen sich oft fehlendes Zärtlichkeitsbedürfnis, Gleichgültigkeit oder Aversion (Abneigung) gegenüber Zuneigung oder körperlichem Kontakt, dazu das Fehlen von Blickkontakt, mimischen Reaktionen und Lächeln, z. B. auf Zuwendung oder Ansprache der Eltern. (Deshalb sind manche Eltern anfänglich der Meinung, ihr Kind könne taub sein.)
- Kleinkinder und junge Autisten können die Erwachsenen als austauschbar behandeln oder sich „mechanisch“ an bestimmte Personen klammern. Im Laufe der weiteren Entwicklung können sich zwar Interessen und soziale Bedürfnisse langsam intensivieren, doch neigen viele Kinder unverändert dazu, andere Menschen auf ungewöhnliche Art und Weise zu behandeln (d. h. in ihre Rituale und absonderlichen Gewohnheiten einzuspannen, und zwar unangemessen bis aufdringlich).
- Ältere Autisten fallen oftmals durch hervorragende Gedächtnisleistungen auf, allerdings überaus spezifisch und letztlich nutzlos für den Alltag (der ansonsten nicht einmal im Ansatz bewältigt werden kann).
Verlauf: Eine autistische Störung im Säuglings- und Kleinkindalter zu erkennen ist oftmals schwer. Eindeutiger wird es ab dem 2. und 3. Lebensjahr. Manchmal wird auch von einer durchaus normalen Entwicklung in den ersten 1 bis 2 (3) Jahren berichtet. Deutlicher wird es im Allgemeinen mit dem Eintritt des Kindes ins Schulalter. Bei einigen verschlechtert sich das Krankheitsbild in der Jugend, bei anderen wird es besser.
Die Heilungsaussichten (Prognose, s. u.) hängen von der Beschwerde-Intensität ab, doch sprechen die bisher verfügbaren Untersuchungsergebnisse dafür, dass nur ein geringer Prozentsatz der Betroffenen als Erwachsener unabhängig zu leben und zu arbeiten vermag. Bei etwa einem Drittel der Fälle ist eine teilweise unabhängige Lebensweise möglich. Doch auch gut angepasste Erwachsene mit einer autistischen Störung zeigen letztlich lebenslang belastende Defizite im zwischenmenschlichen und Kommunikations-Bereich sowie deutlich eingeschränkte Interessen und Aktivitäten. Wenn sie Glück haben, steht ihnen hier jemand alltags-kompensierend zur Verfügung (z. B. Partner, Eltern, Freunde). Wenn nicht, muss eine andere Lösung gefunden werden (Heim?).
Erbliche Belastung: Es besteht offenbar ein erhöhtes Risiko bei Geschwistern von Autisten.
Körperliche Befunde: Im Allgemeinen keine bedeutsamen organischen Abweichungen. Diskutiert werden bestimmte Veränderungen im Gehirnstoffwechsel (z. B. mit dem Botenstoff Serotonin) sowie bei so genannten bildgebenden Verfahren und im Elektroenzephalogramm (EEG) - jedoch ohne spezifische Aussagekraft. Das Gleiche gilt für einige neurologische Krankheitszeichen (z. B. abgeschwächte Eigenreflexe), Stoffwechselstörungen, Belastungen unter Schwangerschaft und Geburt sowie später epileptische Anfälle (bis zu einem Viertel aller Fälle?).
Differential-diagnose: Außer bei einem frühkindlichen Autismus können autistische Beeinträchtigungen in unterschiedlicher Ausprägung auch gesehen werden bei anderen Entwicklungsstörungen: z. B. bei der Rett-Störung, dann allerdings ausschließlich bei Mädchen, beim Asperger-Syndrom, bei manchen Formen einer schizophrenen Psychose mit Beginn in der Kindheit, beim selektiven Mutismus (Verstummen trotz intakter Sprachorgane) sowie bei geistiger Behinderung (vor allem wenn es sich um schwere oder schwerste Formen handelt).
schlussfolgerung: Die Heilungsaussichten halten sich in Grenzen (s. o.). Nur wenige Betroffene können später als Erwachsene völlig unabhängig leben und arbeiten, mit entsprechender Unterstützung allerdings immerhin ein Drittel. Doch selbst bei den angepassten Verlaufsformen bleibt stets eine Reihe von zwischenmenschlichen und Kommunikations-Besonderheiten, die das jeweilige Schicksal zu prägen pflegt.
BETREUUNG: Menschen im Autismus-Spektrum brauchen einen möglichst barrierefreien Zugang zum Gesundheits-System (ein Begriff, der zusehends nicht nur körperlich, sondern auch seelisch und vor allem psychosozial verstanden wird). Das ist ihnen allerdings bisher zumeist nicht gegeben. Das beginnt mit dem allgemeinen Kenntnisstand (der auch in Ärzte-Kreisen nicht optimal sein soll), hängt aber auch mit ihrer „komplizierten Wesensart“ (Zitat) zusammen, die in der Tat schwer durchschaubar, begreifbar und deshalb auch selbst Hilfswilligen kaum zugänglich ist. Dazu einige Beispiele, basierend auf den Erkenntnissen und Empfehlungen der Autisten-Fachkräfte::
Was belastet, irritiert, behindert eine entsprechende Kommunikation zwischen Menschen im Autismus-Spektrum und ihrem Umfeld:
Das alles gilt es bei Menschen im Autismus-Spektrum zu berücksichtigen, und zwar alltäglich, d. h. jederzeit und dies auch in Zukunft.
Zum Umgang mit autistischen Menschen
Nachfolgend deshalb eine Übersicht aus Expertenkreisen (z. B. nach Tanja Sappok):
Dabei wird hilfreich aufgelistet zwischen der jeweiligen Alltags-Situation (die dem Gesunden in der Regel keine Probleme bereitet) und den Empfehlungen, wie sie Experten und Betroffene erarbeitet haben. Zwar geht es in dieser Übersicht vor allem um den Umgang mit autistischen Menschen in der Arzt-Praxis, im Krankenhaus oder Heim, doch sind die Hinweise auch für jeden anderen im Alltag nützlich. Im Einzelnen: