Depressionen nehmen zu. Ihr Beschwerdebild ist quälend. Die Folgen können verhängnisvoll sein, vor allem wenn man eine drohende Selbsttötungs-Gefahr übersieht. Deshalb gehören die Depressionen auch zu den gefürchtesten Krankheiten. Leider sind sie oftmals schwer zu erkennen. Denn Depression ist nicht gleich Depression. Vor allem ist Depression nicht gleich jeglicher Verstimmungszustand. Denn wenn man jede Gemütsbewegung mit einer Depression gleichsetzt, dann kann man zuletzt jene Patienten nicht mehr erkennen, die wirklich unter einer ernsten Schwermut zu leiden haben.
Deshalb ist es wichtig, die verschiedenen Beeinträchtigungen des Gemütslebens auseinander zuhalten. Nur so kann man die Betroffenen verstehen, zu einem Arztbesuch ermuntern, betreuen und verhindern helfen, dass es zu einem Rückfall kommt. Es gilt also zu unterscheiden:
Stimmungsschwankungen sind allgemeine Möglichkeiten menschlichen Erlebens. Trauer ist die schmerzliche Folge eines Schicksalsschlages, aber ebenfalls eine natürliche Reaktionsweise. Die Depression dagegen ist eine Krankheit, die einer entsprechenden Therapie bedarf.
Was muss man wissen?
Das Gefühlsleben
Das Gefühlsleben ist eines der wichtigsten Aspekte menschlichen Lebens. Seine Bedeutung erkennt man oft erst dann, wenn man in Stimmung, Gemütslage oder - wie die Fachausdrücke lauten -, wenn man emotional oder affektiv beeinträchtigt ist.
Dabei nehmen wir positive Zustandsgefühle wie Freude, Beglücktheit, Zufriedenheit, Zuversicht, Wohlbehagen usw. gerne hin. Meist machen wir uns keine Gedanken darüber, dass es auch unangenehme Zustandgefühle geben muss wie Verzagtheit, Kummer, Furcht, Gereiztheit, Ärger, Wut, Neid, Eifersucht, Missgestimmtheit, Abgespanntheit, Verzweiflung u. a. Solche negativen Gestimmtheiten können allgemeiner Natur sein. Dann nennt man sie Verstimmungszustände. Oder sie nehmen krankhafte Formen an. Dann handelt es sich beispielsweise um Angststörungen oder Depressionen. Deshalb einige kurze Bemerkungen zu den häufigsten "normalen" Beeinträchtigungen der Gemütslage, nämlich den alltäglichen Verstimmungszuständen und der nachvollziehbaren Trauerreaktion.
Verstimmungszustände sind keine Krankheit. Sie sind lediglich Befindensschwankungen und damit allgemeine Möglichkeiten menschlichen Erlebens. Meist sind sie abhängig von zwischenmenschlichen Einflüssen wie Partnerschaft, Nachbarn, Arbeitsplatz, aber auch von äußeren Faktoren wie Wetter, Klima und normalen körperlichen Funktionen wie die Monatsblutung.
Stimmungsschwankungen haben zugenommen. Dies ist auch Ausdruck unserer Zeit mit ihrer Schnelllebigkeit und Hektik und den gestiegenen Ansprüchen; vor allem aber ein Zeichen wachsender Unfähigkeit, mit den natürlichen Belastungen unseres Lebens in eigener Verantwortung und Initiative fertig zu werden. Auch Überforderung, Stress, der Mangel an echter Erholung sowie ein Übermaß an Genussmitteln wie Alkohol, Nikotin, Kaffee usw. tragen das ihre dazu bei. Die Folgen sind Unzufriedenheit, Missgestimmtheit, Reizbarkeit, Aggressivität, Erschöpfung, Erholungsunfähigkeit usw. bis hin zum "inneren Ausbrennen" (Fachbegriff: Burnout-Syndrom, siehe dieses).
Getan wird wenig dagegen, dafür wachsen die Forderungen. Das bekommt auch der Arzt zu spüren. Was man in eigener Regie dagegen unternehmen kann, das wird oft nicht ernst genommen - leider. Dabei sieht es im Grunde jeder ein: tägliche(!) körperliche Aktivität, möglichst bei Tageslicht (Gesundmarsch, Gartenarbeit, Fahrradfahren, Langlauf, Schwimmen, Turnen, Gymnastik, Tanz, sonstige sportliche Betätigung, jedoch ohne gesundheitsgefährdenden Ehrgeiz). Ferner Bürstenmassagen, Wechselduschen, Sauna, Kneippsche Anwendungen, Vollkornkost und natürlich keine oder nur mäßig genossene Genussgifte. Dazu Überforderungen vermeiden (auch in der Freizeit!) und vor allem Entspannungsverfahren lernen (Autogenes Training, Yoga u. a.), bevor man sie nötig hat. Kurz:
Verstimmungszustände sind Befindensschwankungen und keine Krankheit. Sie bedürfen keiner gezielten Behandlung, schon gar nicht mit Psychopharmaka wie z. B. Beruhigungsmittel. Dagegen lassen sie sich meist durch natürliche Maßnahmen mildern oder beheben. Das setzt allerdings eine konsequente Eigeninitiative voraus.
Eine Trauerreaktion mit Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Resignation, ja sogar Hoffnungslosigkeit und bisweilen Verzweiflung pflegt ebenfalls zu den natürlichen Reaktionsweisen zu zählen. Jeder Mensch kennt solche Gefühle. Jeder weiß auch um die möglichen Ursachen: Partner, sonstige Angehörige, Nachbarschaft (vor allem weibliches Geschlecht, insbesondere im höheren Lebensalter), berufliche Belastungen und Enttäuschungen (besonders Männer), ja sogar Wertgegenstände, lieb gewonnene Erinnerungsstücke, Tiere, Freizeit, Hobbys u. a.
Eine Trauerreaktion kann viele Gründe haben. Hier sollte man vor allem nicht mit den eigenen Maßstäben messen. Allein der Betroffene entscheidet darüber, was er zu bewältigen vermag - und was ihn niederdrückt. Das können auch scheinbare "Kleinigkeiten" sein, besonders in jungen Jahren und im letzten Drittel des Lebens.
Am ausgeprägtesten ist die Trauerreaktion nach einem schwerwiegenden Schicksalsschlag, z. B. dem Verlust eines nahe stehenden Menschen, vor allem nach schwerer Erkrankung oder Tod des Partners.
Jedenfalls ist der Trauerprozess eine der intensivsten und schmerzhaftesten gefühlsmäßigsten Belastungen, die durch regelrechte "Trauerarbeit" überwunden werden muss. Man pflegt sie in mehrere Phasen einzuteilen, die sich wiederholen können. Das dauert in der Regel länger als gemeinhin angenommen bzw. von der meist ungeduldigen Umgebung akzeptiert wird. Denn Trauernde sind eine Belastung, mit der man nicht mehr richtig umzugehen versteht. Deshalb sollen sie möglichst bald ihre Trauer überwinden - nicht zuletzt zur Schonung der anderen.
Eine wirkliche, eine entlastende Betreuung ist schwieriger, als sich die meisten vorstellen und auch zutrauen. Auf jeden Fall darf man nicht versuchen, dem Trauernden die Trauer zu nehmen. Trauernde werden meist falsch betreut, nämlich zuviel am Anfang und zu wenig im Laufe der folgenden Leidenszeit, die sich ja über Monate und manchmal Jahre erstrecken kann. Schon nach kurzer Zeit empfindet man sie sogar als belastend und zieht sich zurück. Damit gerät der Trauernde unter Druck von zwei Seiten: eigener Schmerz und Forderung der Umgebung. Daher ist es wichtig, sich einige grundsätzliche Erkenntnisse über die Betreuung von Trauernden zu merken:
Der Trauerprozess kann durch falsche Ratschläge, nutzlose Appelle, leere Redensarten usw. noch mehr erschwert werden. Deshalb nicht oberflächlich trösten oder den Verlust herunterspielen, sondern eher still mitleiden. Anwesenheit und stumme Zuwendung bedeuten mehr als Worte. Geduld haben – und zwar auf lange Sicht.
Vorsicht vor allem an Wochenenden, Feiertagen und Jahrestagen (Alleinsein, Erinnerung). Kleine Aufmerksamkeiten genügen: Postkarte, Anruf, kurzer Besuch. Günstig sind auch tröstliche Schriften oder der Kontakt mit einem Menschen, der seinen Trauerprozess erfolgreich abschließen konnte. Bei plötzlichem, dramatischem oder gewaltsamem Ereignis (z. B. entstellendem Unfalltod) mit verstärkter und verlängerter Schockphase rechnen.
Zurückhaltung bei der medikamentösen Unterstützung eines Trauerprozesses. Langfristige tröstende Verfügbarkeit, ggf. psychotherapeutische und soziotherapeutische Hilfen sind zu bevorzugen. Falls Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben nötig sind, dann nur kurzfristig.
Vorsicht vor allem bei Beruhigungsmitteln. Sie pflegen zwar gefühlsmäßig zu distanzieren, dämpfen jedoch die Betroffenheit, stören damit die Trauerarbeit und können hierdurch den Trauerprozess verlängern. Pflanzenheilmittel wie Johanniskraut, Baldrian, Melisse, Hopfen usw. scheinen hier einen günstigeren Kompromiss zu bieten.
Über das Krankheitsbild Depression siehe diese.