Kaum ein neurologisches Krankheitszeichen ist auf der einen Seite so dezent, fast täuschend unauffällig - und auf der anderen so stigmatisierend wie das Zittern.
Zittern (Fachbegriff: Tremor) kennt jeder: z. B. Kälte-Zittern, Angst- oder Zorn-Beben, Stress- oder Erregungs-Zittern u. a. Das ist normal und geht vorbei. Dann aber gibt es ein Zittern, das nachdenklich macht, scheinbar ohne Grund: Die Oma zittert immer so mit dem Kopf, der Onkel verschüttet neuerdings immer häufiger die Suppe, der Nachbar (er trinkt zu viel, das weiß man) versucht sein Zittern zu verbergen usw. Kurz: Zittern kennt jeder, weiß es aber nicht so recht einzuordnen. Und der Hausarzt, ja sogar der Neurologe bestätigen: Es ist ein sehr komplexes Phänomen und nach Ursache, Verlauf und sogar Therapie mitunter sehr schwierig: Nachfolgend deshalb eine kurz gefasste Übersicht.
Was ist ein Tremor?
In Fachkreisen wird das Ganze natürlich noch viel ausführlicher differenziert. Ein allseits sichtbares Unterscheidungs-Merkmal ist die Tremor-Frequenz (Schwingungshäufigkeit), d. h. von ausfahrend bis zu einem feinen Zittern. Und natürlich die Zuordnung zu den erwähnten Körper-Regionen, also Kopf, Rumpf, Arme, Beine, ja Stimme usw.
Der Tremor ist keine Krankheit, sondern „nur“ ein Krankheitszeichen, also unspezifisch. Allerdings kann er bei einigen (vor allem neurologischen) Erkrankungen zur Diagnose beitragen. Dann ist man allerdings erstaunt, Dutzende von Leiden mit Tremor zu finden, die im Übrigen meist so schwer aussprechbare (Fach-) Namen haben, dass man gleich wieder aufgibt (und vor den Neurologen und ihrem Arbeitsgebiet gehörig Respekt bekommt). Grob eingeteilt sind es insbesondere erblich bedingte, degenerative (Verfall, Rückbildung oder Entartung) oder ursächlich bisher unbekannte Erkrankungen. Dabei spielt vor allem das Gehirn eine Rolle, aber auch der Stoffwechsel und die (langen) Nervenbahnen. Und nicht zu vergessen: schädigende bis giftige Substanzen (auch Nikotin oder Alkohol - s. später) sowie bestimmte Medikamente.
Welche Tremor-Formen unterscheidet man?
Tremor – was kann man tun?
Trotz entscheidender Fortschritte halten sich die Behandlungserfolge bisher leider in Grenzen, geben die Fachärzte zu. Doch Resignation macht alles nur schlimmer. Es gilt also seinen Hausarzt zu konsultieren, der den Rat des Neurologen suchen wird. Und dort geht es dann erst einmal um die exakte Diagnose, um auch möglichst gezielt behandeln zu können (s. o.). Das geht von der Dosis-Begrenzung tremor-auslösender Medikamente über Entspannungsverfahren, psychotherapeutische Stützung bis zu konkreten Arzneimittel-Empfehlungen (z. B. Parkinson). Der letzte Schritt wären stereotaktische Gehirn-Operationen, was erst einmal erschreckt, aber in verzweifelten Fällen durchaus seine Berechtigung hat.
Das Zittern ist ein verschämtes Thema, das aber einen viel größeren Einfluss hat, als man gemeinhin annimmt. Die häufigste Reaktion ist leider der unbemerkte, stille Rückzug im zwischenmenschlichen Bereich, einschließlich Freundeskreis und Beruf. Das sollte man nicht. Denn wenn sich auch die Behandlungserfolge bisweilen in Grenzen halten, eine Milderung ist durch eine der erwähnten Therapie-Arten oder eine Kombination dann doch oft erreichbar. Tremor - so die Experten - ist kein Stigmatisations-Grund, man muss nur alle Möglichkeiten nutzen, und die werden ständig mehr.
Die häufigsten Tremor-Arten
Nachfolgend nun einen kurzen Überblick über die nicht nur häufigsten, sondern wohl auch auffallendsten Tremor-Arten, ausgelöst durch die Parkinson`sche Erkrankung, den Alkoholismus sowie das Phänomen des psychogenen, d. h. seelisch bedingten Tremors. Im Einzelnen:
Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten chronischen neurologischen Leiden mit seelischen und psychosozialen Folgen. Besonders belastend ist auf jeden Fall das auffälligste Krankheitszeichen, der Parkinson-Tremor (deshalb früher auch „Schüttellähmung“ genannt, wobei die Bewegungs-Verlangsamung als Lähmung und das Zittern als Schütteln gedeutet wurden).
Tatsächlich ist der Tremor bei über der Hälfte dieser Patienten das erste und auffallendste Symptom; im Verlauf der Krankheit muss es so gut wie immer ertragen werden. Es handelt sich um eine unwillkürliche (d. h. nicht willentlich steuerbare), ziemlich regelmäßige rhythmische Bewegung bestimmter Körperteile wie Hände und Füße, seltener Kopf oder Kinn. Die besondere Form des Finger-Tremors führte früher zu der Bezeichnung „Pillen-Drehen“, später „Münzenzähl-“ oder „Geldscheinzähl-Tremor“. Heute unterteilt man wie folgt:
Am meisten aber irritiert er, wenn man ihn am wenigsten zeigen möchte: im Gespräch, in Gesellschaft, im Restaurant, am Bankschalter, an der Kasse. Dann kann er sogar ausfahrend und für jedermann sichtbar werden. Das hat eine so genannte Beschwerde-Spirale zur Folge, ein Teufelskreis, dem man als Betroffener kaum entrinnen kann. Die Folgen sind nachvollziehbar, meist aber Rückzug und damit Isolationsgefahr („alle schauen“).
Wohl genauso bekannt ist der alkoholbedingte Tremor, eine Vergiftungs-Folge bestimmter Gehirnstrukturen.
Er beginnt zunächst an Fingern und Händen (zumeist der führenden Hand) und kann später auf Zunge (besonders deutlich, wenn man sie herausstrecken muss), Augenlider (bei leichtem Schließen), Lippen, ja Kopf sowie Arme und Beine übergreifen.
Morgens ist er ausgeprägter als abends (morgendliche Entzugssymptome). Dann kann er gar zu einem grobschlägigen Schütteln werden, bei dem man die Kaffee-Tasse krampfhaft mit zwei Händen zum Munde führen muss, was sich wenigstens anfangs noch nach einem ersten Glas Alkohol mildert, später kaum mehr. In Ruhe fällt das Zittern weniger auf als bei gezielten Handgriffen. Deshalb bedienen sich Alkoholiker in schweren Fällen allerlei grotesk anmutenden Tricks, die aber im Grunde ein permanentes Drama sind (z. B. Fixieren der Arme mit Stricken oder Handtuch). Der alkoholbedingte Tremor lässt sich übrigens therapeutisch schwer beeinflussen und geht nur - falls überhaupt - im Rahmen einer konsequenten Alkohol-Abstinenz zurück.
Ein weites Feld ist der psychogene (seelisch bedingte) Tremor. Von Stress, Erregung, Wut und Zorn, vor allem aber Angst war ja schon die Rede. Das führt zwar zu Zittern oder treffender: innerem Beben, geht aber auch wieder vorbei. Was aber hat eine dauerhafte und vor allem extrem zermürbende Belastung für Folgen?
Das wurde erstmals bei den so genannten „Kriegs-Zitterern“ im Graben-Krieg des I. Weltkrieges deutlich. Dort fanden sich nämlich bei ansonsten „gestandenen Männern in den besten Jahren“ plötzlich groteske Krankheitsbilder mit beispielsweise unfassbaren Bewegungsstörungen, von der Lähmung bis zu Bewegungsstürmen, am meisten aber die erwähnten Zitter-Anfälle.
Die wenigsten diagnostischen Schwierigkeiten machte dabei ein Phänomen, das man weder willentlich länger „produzieren“, geschweige denn durchhalten kann und das auch nicht durch bestimmte hirn-organische Krankheiten ausgelöst wird. Gemeint ist das so genannte „Ganz-Körper-Zittern“ des gesamten Menschen, und dies auch noch mit unterschiedlicher Schwingungshäufigkeit von fein bis großschlägig oder gar ausfahrend.
Schwieriger wird es bei einseitigen Zitter-Attacken von Armen und Beinen, doch gibt es dafür einige diagnostische Kriterien, was auf einen offensichtlich rein seelisch bedingten Tremor hinweist. Dazu gehören:
Leider sperren sich die meisten Patienten mit einem psychogenen Tremor gegen eine solche Untersuchung, weshalb auch die Heilungsaussichten eher schlecht sind und nicht selten zur vorzeitigen Berentung führen können (was den seelisch bedingten Tremor nebenbei auch nicht bessert).
Schlussfolgerung
Doch die drei auffälligsten Tremor-Formen durch Parkinson, Alkohol und seelisch bedingt bieten erfreulicherweise die besten Behandlungschancen, z. T. auch schon vorbeugend. Das sollte man mit Unterstützung von Hausarzt, Neurologen, Psychiater und Psychologen nutzen. Resignation ist gerade hier nicht angebracht.